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Einmal nackt über die Kö

Die biograph Ouverture Febr. 2017

Manchmal träume ich davon, unsichtbar zu sein und zu tun, was nur Unsichtbare tun können. Ein bisschen so wie bei Harry Potter stelle ich mir das vor. Ich ziehe mir einen Umhang über, und schon kann mich niemand mehr sehen. Ich könnte dann an Orte, zu denen Normalsterbliche nicht gelangen. Ich könnte Dinge tun, die anderen verwehrt bleiben.
Natürlich würde ich zuallererst nach Herzenslust schwarzfahren. Einmal Wehrhahnlinie rauf und dann wieder runter und dann wieder rauf. Dann würde ich ins Kino gehen. Ohne Eintritt zu bezahlen.
Es ist nun nicht so, als könnte ich mir die Ticketpreise nicht leisten, aber es ist schon etwas anderes, ob man ordnungsgemäß sein Geld an der Kasse lässt oder als ungebetener Gast den Hauch des Verbotenen atmet.
Vielleicht würde ich im Sommer mal nackt über die Kö laufen und schauen, was das mit mir macht. Einfach so. Weil ich es kann.
Ich wäre ein großer Hinterzimmerbesucher. Ich würde schauen, was in den Räumen passiert, in die man aus guten Gründen nicht hineindarf. Wird dort gemauschelt? Türmt sich dort der Dreck? Ich würde herausfinden und hier niederschreiben.
Natürlich bekäme auch das Rathaus unsichtbaren Besuch von mir. Zu gern wüsste ich, wie es beim OB so zugeht. Nicht bei den offiziellen Terminen. Die sind langweilig, weil da immer alle so smart auftreten, dass man denkt, sie kämen gerade von der großen Rhetorikschule. Nein, ich würde lauschen, wer dem OB was einflüstert und was er sich von den Ratschlägen annimmt. Ich wäre gerne als stiller Beobachter dabei, wenn sie wieder mal versuchen, sich den Grand Depart schön zu reden. Ich wüsste nachher, ob sie den Quatsch, den Geisel hinterher zu dem Thema oft öffentlich zum Besten gibt, wirklich glauben.
Ich ginge natürlich auch ins Theater. Hinter die Bühne. Ich würde am Rand stehen und schauen, wie Schauspieler auf ihren Auftritt warten. Ich könnte ihren Schweiß riechen, ihre Angst vor dem großen Moment. Ich atmete ihre Aura.
In der Arena säße ich demnächst mit Robbie Williams in der Garderobe und würde schauen, ob er seinen nüchternen Lebensstil wirklich durchhält oder ob er doch wieder zurückstürzt in jene Zeiten, da er die wartenden Frauen und die seiner harrenden Rauschmittel reihenweise vernaschte.
Ich fürchte allerdings, dass ich danach verloren wäre für die reale Welt. Wer zu viel von dem sieht, was er nicht sehen soll, wird leicht süchtig danach und weiß sein reales Sein nicht mehr zu schätzen. Wenn alles Sensation ist, dann ist alles normal und alles langweilig. Mich ereilte dann der Fluch, für immer unsichtbar zu bleiben, weil ich das Gewöhnliche des Alltags nicht mehr aushielte. Ich wäre abonniert auf das Besondere, aber genau dieses Besondere würde mich ersticken.

Mit solchen Einsichten kehre ich zurück aus meinen Träumen, zurück aus dem Unsichtbaren. Und ich erfreue mich an einer Welt, die so wenig perfekt ist, an der so viel zu verbessern ist, in der ich gebraucht werde. Es schärft halt den Blick, einmal das Unmögliche zu denken, sich rauszubewegen aus dem Trott des ewigen Klagens, der übermächtig drohenden Angst zu entweichen, wieder zu merken, dass es noch etwas, nein, jede Menge zu tun gibt. Packen wir s an. Das Jahr ist noch jung.

Hans Hoff

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