Es geht auch ohne Ausstellung. Gleich mehrere Skulpturen von Hannelore Köhler stehen an zentralen Orten in Düsseldorf, unauffällig freilich, kaum einen Meter hoch und als Stein oder Bronze in den Materialton ihrer Umgebung integriert.
Die Figuren sind weitgehend auf die Konturen des Körpers verknappt, die Hände und Füße aber sind ausdifferenziert. Allein mit der Hebung des Kinns, der Ausrichtung des Mundwinkels und der Skizzierung der Augen erreicht Hannelore Köhler eine humorvolle und versonnene Anmutung. - Dass diese Figuren – meist Frauen – oft zusammengekauert sind oder mit den Armen ihren Körper umfangen, läge an den Möglichkeiten, die der Steinblock mit sich bringe, sagt Hannelore Köhler, so einfach sei das. Und Buntfarbigkeit sei sowieso nie ein besonderes Thema für sie gewesen, eigentlich auch nicht in der Malerei.
Diese bildet den Schwerpunkt im Atelier in der Sittarder Straße. Auf verschiedenen Höhen aufgehängt, sind die Gemälde von der Sitzgruppe mit dem großen robusten Holztisch und den Hockern aus gut zu sehen. In Regalen befinden sich, eng zusammenrückt, Mengen an Kleinfiguren aus verschiedenen Kulturen, auch etliche Kreuzdarstellungen und dazwischen die Skulpturen von Hannelore Köhler selbst, als hätte alles schon immer zusammen gehört. - Aber die Sammlungen kamen später, sagt Hannelore Köhler. Zuerst sind die Bilder entstanden, von 1963 an folgten die Skulpturen, zunächst im kleinen Maß – Handschmeichler – , sie wurden dann größer als Figur, Figurengruppe oder Torso, gefertigt in Stein (oft Marmor) oder Holz, auch als Bronze- und Polyesterguß.
Hannelore Köhler wurde 1929 in Heilbronn geboren, die Familie ist schon bald nach Dresden gezogen. Ab 1947 hat sie an der dortigen Kunstakademie bei dem Expressionisten Wilhelm Rudolph studiert, in einer Klasse übrigens mit Gotthard Graubner. Allen Versuchungen der Abstraktion widersteht sie bereits nach kurzer Zeit. 1950 setzt sie ihr Studium an der Düsseldorfer Akademie in der Klasse von Otto Pankok fort, wird dort zur Meisterschülerin ernannt und ist 1956 Mitgründerin der Gruppe „Neue Realisten“, unter anderem mit Germàn Becerra und mit Günther Cremers, ihrem späteren Mann. Primär handelt es sich bei den „Neuen Realisten“ um eine Ausstellungsgemeinschaft, die zu ihren Museumsausstellungen weitere Künstler als Gäste einlud. Daneben führte jeder der Künstler sein eigenes Werk fort und stellte alleine aus. Inhaltlich verstand sich die Gruppe als Statement, in Zeiten des Informel realistisch zu arbeiten, nicht naturalistisch. Sujet ist primär die menschliche Figur, das ist erst recht bei Hannelore Köhler der Fall. Über ihre damaligen Bilder schreibt Jürgen Harten: „Für Geselligkeit hat sie ein Herz, da sind die Kellermusikanten der frühen sechziger Jahre, Bardamen gelegentlich, Familien mit Kindern, Bekannte zumeist, werden dargestellt, oder Künstlerfreunde; auch OB Becker bleibt nicht verschont.“ (Kat. Stadtsparkasse Düsseldorf 1973) Die Personen (häufig auch das Selbstporträt) im Interieur sind in frontaler Flächigkeit gegeben, umfasst mit dunklen Konturen. Die Perspektive ist vereinfacht, das Bodenraster verläuft senkrecht in die Tiefe, der Horizont – die Einzeichnung der Wand – ist weit nach hinten gesetzt. Meist bleibt der Raum karg, die Personen sitzen am Tisch, ein Paar spielt Schach (gesehen von oben, die Stellung ist plausibel, aber der König des Mannes rückt forsch aus seiner Deckung) oder ein Maler arbeitet an der Staffelei, etwas versetzt steht seine Frau, auf der Hand einen Kanarienvogel: ein Bildnis von Gotthard Graubner. Die Gebärden vermitteln eine mentale Intensität, gesteigert noch durch die kalkigen Farben.
Mitte der 1980er Jahre wechselt der Stil von Hannelore Köhler, nur wenig aber die Motivik. Nach wie vor steht die Figur im Raum im Zentrum. Aber die Malerei ist vitalisiert, sie ist expressiv in Flecken aufgelöst, oder ein impressionistisch getupfter Ton überzieht das gesamte Bildfeld. Nunmehr treten auch Landschaften hinzu, oder ein üppiger Blumenstrauß steht im Fenster zum blühenden Garten. Die Figur selbst gewinnt an Volumen und dominiert den Raum. In jüngster Zeit passiert das alles primär als Federzeichnung im kleinen Format. Aus dem Fluss der Linie entwickeln sich kleine Handlungen, alltägliche Szenen, lapidar und humorvoll auch jetzt, gesehen von Hannelore Köhler daheim, auf der Straße vor der Haustür.
Skulpturen von Hannelore Köhler befinden sich in Düsseldorf u.a. am Burgplatz, im Garten des Stadtmuseums und vor dem Evangelischen Krankenhaus.
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