Im Wohnatelier in der Künstlersiedlung in Golzheim stehen die Skulpturen in mehreren Reihen neben- und übereinander, und es ist ein Vergnügen, sich zwischen ihnen zu bewegen. Ihrer Gesamtform entsprechend mitunter auf dreieckigen Sockeln, strahlen sie eine vitale Leichtigkeit aus und sind ebenso spielerisch wie präzise. Sie wirken organisch, auch wenn sie konstruktiv angelegt sind. Sie bestehen aus dem Zueinander etlicher gleicher Papiermodule, welche durch Faltungen entstanden sind. Einzelne Skulpturen für den Außenraum sind in Edelstahl, Kupfer- oder Zinkblech realisiert: Bei diesen Skulpturen ist die Anzahl der Einzelelemente verringert, sie sind stärker auf die Symmetrieachse hin angelegt, bleiben dabei aber allansichtig, wollen umrundet werden. Eine der Skulpturen für draußen heißt „Lotus“ (1998): Das starre Metall scheint sich zögernd in einzelnen scharfen Blättern nach außen zu öffnen und streckt sich in Fächern aus. Wie eine Knospe schließen sich zuoberst – im Zentrum – die Spitzen.
„Origami“: Hermann Focke verweist auf die Kunst der Papierfaltung in Japan, auf die Kunstfertigkeit dabei und auf die lange Tradition, die dahinter steckt. Die ihn anfangs bei seinen Werken beeinflusst hat. Er wurde 1924 im westfälischen Metelen geboren. Nach dem Krieg hat er erst an der Werkkunstschule Münster bei Kurt Schwippert und Hugo Kükelhaus studiert und ist dann an die Kunstakademie Düsseldorf in die Klasse von Ewald Mataré gewechselt, Kommilitonen waren Joseph Beuys und Günter Haese. Nach dem Studium nahm er bildhauerische Aufträge im sakralen Bereich an und verwirklichte kleine Tierplastiken vorwiegend in Bronze, die mittels kantiger Verknappungen stilisiert sind. Vielleicht sind die Grate schon Vorboten für die späteren Faltungen? Indes sind die Vorgaben der kirchlichen Aufträge und der Figuration für Focke zu strikt; er stellt die Bildhauerei 1970 vorübergehend ein und konzentriert sich ganz auf weitgehend abstrakte Zeichnungen und Aquarelle (die übrigens bis heute entstehen). Und er reist, insbesondere nach Osteuropa und in den Fernen Osten. 1986 setzt er neu mit der Skulptur ein: mit den Faltskulpturen aus Papier. Grundlage der einzelnen Module sind bis heute Vielecke, die er mit einem geometrisch organisierten Netz an Strichen überzieht. Indem er die Zeichnungen fotokopiert, kann er etliche gleiche Körper falten. Die gezeichneten Geraden aber fallen einmal dünn und grafisch, dann wieder breiter und malerisch aus. Meist zeichnet sie Focke mit Schwarz auf weißen Grund, seltener mit Weiß auf Schwarz. Erst in der jüngsten Zeit verwendet er Buntfarben.
Der strengen Grundkonzeption der immer gleichen Module folgt im Zusammensetzen die denkbar größte Freiheit. Wie Hermann Focke beschreibt, weiß er selbst zunächst nicht, wie seine Formationen schließlich aussehen. Er baut sie in Richtung auf Ausgleich und Systematik und doch ist die Variationsbreite enorm. Die Assoziationen, die von den Binnengliederungen unterstützt werden, reichen von Kristallen und Pflanzen über Korallenriffs und Gebirgsformationen bis hin zu Tieren und deren Behausungen. Oder, wenn wir den konstruktiven Aspekt betonen, landen wir vielleicht bei den Modellen von Sonden und Raumschiffen oder realen und utopischen Architekturen aus Wabenstrukturen. Und sind doch plötzlich wieder bei den Strukturen des Alltags und den Bauprinzipien unserer Umgebung, schon indem die Stabilität des Papiers durch den tektonischen Aufbau unterstützt wird. Natürlich schwingen Fragen zur Konstitution des Menschen mit, dazu wie die Welt im Kleinen und Großen organisiert ist. Und dass im vermeintlich Gleichen ein enormer Reichtum zu erkennen ist, welcher, auch wenn er nichts außer sich bezeichnet, eine Form der Schönheit ist.
Hermann Focke
ist beteiligt am zweiten Wochenende der Kunstpunkte: 22./23. August
Franz-Jürgens-Straße 12, Atelier 13, Düsseldorf-Golzheim.
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