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Jovan Stojsin

Hoch hinaus mit klarer Eleganz

Die biograph Ouvertüre November

Ich habe mich verliebt. Das Objekt meiner Emotionen ist groß und schlank. Wir kennen uns schon sehr lange. Wie oft haben wir uns gesehen, und nichts ist passiert. Aber dann kam an diesem trüben Oktobertag alles anders. Ich flanierte am Rheinufer entlang, und auf einmal war es um mich geschehen. Warum hatte ich das all die Jahre übersehen, diese schlichte Eleganz, diese klaren Linien, diese für Düsseldorf so untypische Beschränkung auf das Wesentliche? Ich habe diese Gefühle sofort meiner Frau offenbart. Sie soll wissen, was in mir vorgeht. Und sie hat mich verstanden.

Meine neue Liebe ist nämlich keine andere Frau, sondern das Mannesmannhochhaus, also jenes Gebäude, das zwischenzeitlich mal Vodafone gehörte. Lange prangte der Schriftzug der Mobilfunker oben drauf und entstellte mit rotem Protz die schlanke Statur. Aber das ist nun vorbei, und inzwischen streiten irgendwelche Ministerialen über die Frage, wer wann was gemacht hat und wann was tun wird. Mir doch wurscht.

Ich liebe dieses Haus vor allem von außen. Ich habe es nie betreten und werde es wohl auch niemals tun. Ich liebe es von außen, und fortan werde ich Menschen, die mich nach dem schönsten Ort in Düsseldorf fragen, direkt vor das Mannesmannhochhaus führen. Ich werde verweisen auf die acht Fenster an der Quer- und 20 an der Längsfront, ich werde dieses klare schlanke Aufragen betonen, dieses beinahe selbstverständliche Überragen des Umliegenden. Ich werde darauf hinweisen, wie klar die Rasterfassade mit ihrem Glas und dem blau emaillierten Stahlblech über 25 Etagen die Luft füllt.

Paul Schneider von Esleben hat das Haus in den Fünfzigern entworfen. 1958 wurde es fertig und stand fortan mit seinen Rundrohrstützen und der Skelettbauweise als Symbol für all die Feststoffe, die Mannesmann in die Welt entsandte. Heute ist es herren- und schriftzuglos, und das ist gut so. Erst jetzt strahlen die Strukturen so richtig. Welcher 55-Jährige kann das sonst von sich behaupten?

Vor allem hebt sich das Mannesmannhochhaus ab von allen Schnörkeleien, die das Antlitz dieser Stadt sonst so unerträglich aufdunsen. Der Protzklotz, der sich Stadttor nennt, das hingeworfen wirkende GAP 15, der einfallslos gestaltete Arag-Turm, alles irgendwie da und doch unsichtbar. Als Mensch habe ich gelernt, ungebetene Eindrücke zu ignorieren, und deshalb habe ich meinen Blick selten nach oben gerichtet. Hochhäuser waren mir sehr lange suspekt, weil sie sinnbildlich standen für die Entmenschlichung der Stadt, weil sie signalisierten, dass nichts so sehr interessiert wie die platzsparende Unterbringung möglichst vieler Arbeitskräfte.

In vielen Fällen ist das immer noch so, aber über die Jahre lernt man, Dinge auch mal aus anderer Perspektive zu betrachten. Und genau da kommt das Mannesmannhochhaus ins Spiel. Es hat keine oder kaum Konkurrenz. Allenfalls das Dreischeibenhochhaus kann ein bisschen mithalten. Aber hat das so einen herausragenden Standort? Direkt am Rhein?

Ich mochte immer die Lichtspiele in den Hochhausfenstern, den leuchtenden Weihnachtsbaum in der Adventszeit. Das gab der Luft Struktur in dunklen Tagen. Heute würde ich eher empfehlen, auf solche Spielerein zu verzichten und die Höhe des Hauses für sich wirken zu lassen.

Wenn man mal nicht weiß, was man anziehen soll, dann stelle man sich nur einmal vor dieses Haus. Man lasse sich inspirieren von der Klarheit, von diesem deutlichen Weniger-ist-mehr-Plädoyer, das es aussendet. Auch bei plötzlichen Melancholieanfällen hilft ein Gang zum Mannesmannufer. Man schaue dort, wie wenig es braucht, um trotzdem viel auszusagen.

Dieses Haus gibt der Stadt Größe. Eine Größe, die aus sich heraus wächst. Eine Größe, die weder Prunk noch Kitsch symbolisiert. Eine Größe, die mich stolz macht, in dieser Stadt zu sein. Genau deshalb bin ich verliebt in das Mannesmannhochhaus.

Hans Hoff

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