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Klein-Paris? Geh mir weg!

Die biograph Ouvertüre Juli 2016

Keine Zeit für Sommer. Ich muss Sport machen. Daumentraining. Zapp hin, Zapp her. Fußball-WM, Sie verstehen? Und wenn die zu Ende ist, schwinge ich mich aufs Rad. Tour de France. Oder wie Kritiker sagen: The Big Geldverschwendung by Thomas Geisel. Ich trainiere auf jeden Fall schon mal für nächstes Jahr. Nicht draußen in der Natur. Nein, das ist was für Loser. Ich habe mein Trimmrad vor dem Fernsehen aufgebaut und fahre damit durch die schönsten Landschaften Frankreichs, zu denen bekanntermaßen 2017 auch Düsseldorf gehört. Immer schon gehörte?

Na ja, Düsseldorf soll was Französisches haben. Hieß ja nicht umsonst lange Zeit Klein-Paris. Aber das will irgendwie niemand mehr so richtig wissen. Die Spuren Napoleons sind längst getilgt. Ist ja auch alles eine Weile her. Um es mal auf den Punkt zu bringen: Düsseldorf ist so wenig französisch wie nie.

In Wahrheit war Düsseldorf nie Klein-Paris. Was sollte das auch sein? So ein bisschen laissez faire? Geht auf jedem Schulhof. Auch mal einen Kaffee vor der Tür trinken? Kann man selbst in Gelsenkirchen. Ein Baguette kaufen? Ach Gott, das geht auch in Castrop-Rauxel. Man kann inzwischen alles überall haben, da verschwimmen die Ortsmarken, verkommen zu einer kurzen Meldung in der GPS-Navigation.

Wer will denn überhaupt Klein-Paris sein? Was soll das bringen? In Paris sind die Boulevards breit, die Taxifahrer mehrheitlich unfreundlich und die Preise astronomisch. Klingt wenig erstrebenswert.

Vielleicht wird ja andersherum ein Schuh draus. Vielleicht nennt sich demnächst irgendeine Stadt Klein-Düsseldorf. Das wäre doch mal was. Dann würde irgendeine No-Name-Kommune, sagen wir mal Höxter, eine besondere Zone erschaffen und die Klein-Düsseldorf nennen. Oder Chinesen bauen in einem Freizeitpark die Kö nach und stellen an deren Ende Fernsehturm und die Gehry-Bauten auf.

Die Frage ist doch: Was macht Düsseldorf typisch, unverwechselbar, einzigartig? Was unterscheidet uns von Städten, die auch Primark, H&M, P&C und Orsay haben? Ist es der Pro-Kopf-Umsatz an Kosmetika? Anfrage beim Statistischen Bundesamt: Wurde noch nie ermittelt. Ist es die überbordende Freundlichkeit der Eingeborenen? Anfrage beim Biologischen Institut der Universität Knatter an der Aller: Keine Erkenntnisse.

Was aber ist es dann, das den Düsseldorfer so unverwechselbar macht? Ich fürchte ja, es ist gerade das Diffuse, das die Menschen hier so unverwechselbar macht. Düsseldorfer sind in hohem Maß und in hoher Zahl flexibler. Sie stellen sich bereitwilliger als andere den Erfordernissen neuer Zeiten. Sie sind nicht, sie werden.

Förderlich erscheint dabei, dass sie nicht an überkommenen Heimat-Begriffen kleben wie etwa die Kölner oder die Münchner. Düsseldorfer müssen niemanden beweisen, dass ihre Stadt schön ist. Sie müssen nicht mit ihr protzen. Sie wissen sehr genau, dass jemand, der Schönheit sucht, auch die Schönheit dieser Stadt entdecken wird.

Düsseldorf ist kein Zustand, Düsseldorf ist ein Prozess. Insofern ist Düsseldorf die ideale internationale Gemeinde, fit für alle Erfordernisse einer modernen Welt. Oder andersherum gesagt: Düsseldorf ist überall, wo Düsseldorfer sind. Düsseldorf is Global City.

Tja, liebes Paris: Da guckste dumm.

Und jetzt zurück zum Sport.

Hans Hoff

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