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Kultur ist mehr als nur Wurschtelei

Die biograph Ouvertüre Juni

Die Kulturstadt Düssseldorf… Halt, falscher Anfang. Kulturstadt Düsseldorf? Hat das schon mal jemand in jüngster Zeit so gesagt? Oder wichtiger: auch so gemeint? Kann man ernsthaft noch von der Kulturstadt Düsseldorf sprechen? Kunststadt vielleicht. Wir haben ja die U-Bahn. Aber Kulturstadt? Jetzt, da alles auseinanderzufallen droht.
Es liegt vieles im Argen in der Heimat. Das Schauspielhaus mutiert auf Jahre zum Wanderzirkus, zur beliebigen Manövriermasse und muss mit doppelter Kraft gegen die aus erzwungener Ortlosigkeit resultierende Belanglosigkeitsdrohung anspielen. Wer möchte da Intendant sein?
Das Theatermuseum macht dicht und wird eingelagert und hie und da mal herausgekramt. Die Kunstsammlung und der Kunstpalast brauchen eine neue Leitung. Diverse Museen dümpeln vor sich hin, sind sich selbst genug im Stillstand und wappnen sich lediglich für Abwehrkämpfe gegen jegliche Veränderung.
Irgendwie scheint derzeit alles so durcheinander, dass es nicht zur Werbung taugt. Kulturstadt Düsseldorf? Eher nicht. Hilft da ein Kulturentwicklungsplan? Eher auch nicht, wenn er lediglich ein paar Düsseldorfer Eigenheiten über aus anderen Städten bekannte Diagnoseprofile stülpt.
Immerhin können die Düsseldorfer froh sein, dass die Kölner mit ihren Bühnensanierungen noch viel dilettantischer umgehen. Keiner weiß dort, ob aus der Oper nicht demnächst so etwas wie der Berliner Flughafen wird, also ein sich seiner Fertigstellung bis ans Ende aller Tage verweigerndes Wunschgebilde.
Im Schatten solcher Unfähigkeit lässt es sich 50 Rheinkilometer flussabwärts eher unauffällig werkeln. Es wird ja was getan in Düsseldorf, es wird an vielen Stellen gewerkelt, geschraubt und konzeptioniert. Ein bisschen zumindest. Allein, es fehlt so etwas wie der Strang, an dem alle ziehen.
Aber wer soll auch ziehen? Wer steht für die Kultur in dieser Stadt? Kurz mal nachdenken. Und? Eine Idee, wen man da jenseits der angestellten Kräfte nennen könnte? Ja, die Intendanten, die Direktoren, die Dezernenten beschäftigen sich mit Kultur. Allerdings macht es nicht den Eindruck, als gelänge es ihnen, den Blick viel weiter als auf ihre eigene Schwelle zu lenken.
Von einem Masterplan für die Kultur war schon die Rede. Das klingt nicht schlecht, aber dann auch wieder so von oben herab. Sollen die da  mal was entwerfen, wir schauen dann, ob es uns gefällt.

Eine blühende Kulturlandschaft braucht viele Gärtner. Gärtner mit Ideen. Gärtner aber sitzen nicht in Ämtern und auf Chefsesseln. Wer macht sich für die Kultur stark jenseits der bezahlten Arbeiter? Wer sind nochmal die prominenten Figuren, die man mit dem Schauspielhaus verbindet, weil sie sich für diese Institution stark machen? Wo sind jene stadtbekannten Persönlichkeiten, die sagen: Ich steh für die Kunsthalle, ich kümmere mich.
Ja, es gibt den einen oder anderen. Aber sind diese lobenswerten Menschen wirklich in der Stadt bekannt? Muss sich ein Politiker fürchten, wenn die paar engagierten Bekanntheiten für „ihr“ Institut die Stimme erheben? Eher nicht. Man lässt sie reden und kürzt munter weiter.

Es fehlt der Düsseldorfer Kultur am nicht institutionalisierten Unterbau, an Menschen, die begreifen, dass Kultur nur gestaltet werden kann, wenn sich Menschen für sie stark machen. Jede pisselige Baumscheibe hat inzwischen einen Pflanzpaten, aber die Kultur muss sich selbst helfen und ist dabei Politikern ausgeliefert, die sie vorzugsweise von der Machbarkeitsseite betrachten. Wie verschieben wir die verbleibenden Mittel so, dass es nicht weiter auffällt, dass der ganze Betrieb irgendwie weiter funktioniert? Das sind die Fragen, die sich die Politik stellt.
Bemerkenswerte Kultur braucht aber mehr als nur diese ständige Wurschtelei, diese Versuche, es irgendwie hinzukriegen. Außergewöhnliche Kultur braucht eine Vision. Sie muss formulieren, was die Stadt bedeuten will. Gemeinsam. Es geht nicht an, dass alle getrennt voneinander ihren Kram machen. Es geht um Vernetzung, und Vernetzung funktioniert nur über Persönlichkeiten, denen man vertraut.

Wenn es die gibt, kann man durchaus über die Schließung oder Fusion von Institutionen reden. Nicht alles, was früher mal sinnvoll war, ist es zwangsläufig heute noch. Niemand hat etwas gegen Renovierung, wenn sie denn von fachkundigen Handwerken ausgeführt wird und nicht von irgendwelchen Pinselsanierern, die einmal lässig überstreichen und dann behaupten, alles sei fresh and clean.

Es ist an der Zeit, dass Düsseldorf sich den Titel Kulturstadt wieder verdient. Gefordert sind alle, die nicht wollen, dass sie nur jenes Gewurschtel geboten bekommen, das ihnen auch das Netz oder das Fernsehen bietet. Kultur muss Mehrwert bieten, muss die durch Arbeitsverdichtung leergepressten Seelen wieder mit Energie füllen. Wenn die Kultur das nicht schafft, dann kann sie auch gleich zur Arbeitsagentur marschieren und Hartz IV beantragen.

Hans Hoff

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