Können wir mal über Bäume reden? Nein, nicht über all die beim Sturm umgestürzten, nicht über die Reste, die noch herumliegen, nicht über die Mühe, die es gemacht hat, die Parks und Friedhöfe und Wälder wieder zu Orten der Begehbarkeit werden zu lassen. Nein, es soll um den stinknormalen Baum in Düsseldorfs Straßen gehen, vor allem aber um das, was er leistet.
Ein Baum kann viel verändern. Er kann aus einer trockenen Schlucht eine Oase machen, kann mitten in der Tristesse des wuchernden Betons wie die Idee eines Paradieses wirken. Ohne Bäume wäre die Stadt kalt.
Man muss sich das mal vor Augen führen, wenn man durch die Stadt geht. Wo stehen die Bäume? Was bewirken sie? Was wären wir ohne sie?
Ich war kürzlich mal im schwedischen Malmö und fand die Menschen dort sehr sympathisch und warm. Die Straßen dagegen erschienen mir kühl. Ich brauchte eine Weile, um herauszufinden, warum das so war. Irgendwann fiel mir auf, dass in manchen Straßen kein einziger Baum steht. Da machte es klick in mir. Ich brauche das manchmal, dass ich ins Ausland fahre und dort erkenne, was meine Heimat so schön macht. Seitdem schaue ich anders auf unsere Bäume.
Wo Bäume stehen, kollidiert die Natur mit der Kultur des vornehmlich wirtschaftlichen Denkens. Bäume tragen ein Stück runde Ursprünglichkeit in die kalkulierte Eckigkeit unserer Stadtkultur. Wie viel Wert in den Bäumen steckt, kann man ermessen, wenn man sich nur mal die Königsallee ohne Bäume vorstellt. Was für eine Wüste wäre das. Man sähe Hunderte von parkenden Autos, man sähe schroffe Wände und glitzerndes Glas. Würde man diese Straße lieben? Niemals.
Ein Baum schon kann eine Straße verändern. Sei er auch noch so mickrig, er wirkt. Selbst wenn er beginnt, sich seiner Blätterpracht zu entledigen, macht er das mit Grazie. Bäume schmeicheln dem Auge, Bäume stehen für Leben, für steten Aufbruch, für den Wert einer Kultur, die nicht nur auf die nackten Zahlen setzt. Düsseldorf ohne Bäume, das wäre eine Stadt, in der ich nicht leben wollte. Das wäre Folter für die Sinne.
Nun muss niemand ob dieser Erkenntnis gleich nach draußen eilen und den nächsten Baum umarmen. Obwohl, die Vorstellung hätte etwas. Alle Düsseldorfer verabreden sich zu einer bestimmten Zeit, vors Haus zu treten und dem nächstliegenden Baum etwas Gutes zu tun, ihm zu danken für sein Dasein. Wo viele Menschen wohnen und wenige Bäume wachsen, bilden sich Baumgemeinschaften, die sich versprechen, künftig Sorge zu tragen für das Grün vor der Tür. Man darf den Bäumen auch Namen geben. Warum sollte eine Platane nicht Alexandra oder Heinz-Georg heißen oder eine Linde Torben oder Maria? Man käme dann morgens aus dem Haus und grüßte freundlich. „Morgen, Maria“, schallte es dann, und allein der Gedanke an so etwas erzeugt ein Lächeln.
Ja, das klingt ein bisschen versponnen, aber wie sagte schon John Lennon? „Du magst mich einen Träumer nennen, aber ich bin nicht der einzige.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
The Last Waltz – Hans Hoff verabschiedet sich
Die (letzte) biograph Ouvertüre Januar 2022
Wir verlieren die Altstadt.
Die biograph Ouvertüre Dezember 2021
Roller hier, Roller da, Roller überall
Die biograph Ouvertüre November 2021
Grenzenlose Dummheit oder Sabotage in der einstigen Gelingerstadt?
Die biograph Ouvertüre Oktober 2021
Final Sale im Tal der Hässlichkeit
Die biograph Ouvertüre September 2021
Lügner, Volldeppen und Menschen mit Herz
Die biograph Ouvertüre August 2021
Die Aufregungsgesellschaft
Die biograph Ouvertüre Juli 2021
In die Mitte - Wo die Oper hingehört
Die biograph Ouvertüre Juni 2021
Düsseldorfs Medienmarkt in Bewegung
Die biograph Ouvertüre Mai 2021
Ein wunderbares Jahr für Düsseldorf
Die biograph Ouvertüre April 2021
Nur noch drei Kehren
Die biograph Ouvertüre März 2021
Der kleine Prinz Fassmichbittean in der großen Wüste
Die biograph Ouvertüre Januar/Februar 2021
Gegen den C-Blues: Mental stoßlüften und ein bisschen jammern
Die biograph Ouvertüre Dezember 2020
Das Haus der Jugend ist tot, es lebe der Ratinger Hof
Die biograph Ouvertüre November 2020
Stellenanzeige: Gruppenleiter (m/w/d) im Förder- und Betreuungsbereich
Die biograph Ouvertüre September 2020
Die neue Zeit der Bescheidenheit
Die biograph Ouvertüre August 2020
Die Protected Life Lane wird täglich enger.
Die biograph Ouvertüre Juli 2020
Keiner hat gesagt, dass es leicht werden würde
Die biograph Ouvertüre Juni 2020
Nein! Was? Doch! Die Krise als Chance
Die biograph Ouvertüre Mai 2020
Someday My Prince Will Come
Die biograph OuvertüreApril 2020
Alles muss raus? Düsseldorf als Resterampe
Die biograph Ouvertüre März 2020
Karneval: Zwischen Ohnmacht und Wurzelbehandlung
Die biograph Ouvertüre Februar 2020
Die Avengers der Entsorgungskultur
Die biograph Ouvertüre Januar 2020
Heiligabend friert die Hölle zu
Die biograph Ouvertüre Dezember 2019