Neulich begegnete ich einem Menschen, der in der Nähe des Südparks lebt. Ich fragte ihn, ob er seine Wohnlage in knappen Worten charakterisieren könne. Er antwortete: „Hund trifft Mensch.“ Das klang komisch, weil es natürlich alle dort Anwesenden herunterdimmt auf die Kollision zweier Wesen und ausblendet, dass noch unendlich viel mehr passiert zwischen Volksgarten und Uni. Aber es ist halt schon interessant, zu hören, wie Menschen ihre große Welt verkleinern, wenn man sie nur dazu auffordert. Verkleinern hilft, die Welt zu ordnen. Wenn alles klein ist, glaubt der Mensch, die Übersicht zu haben. Wie man sich irren kann.
Ich überlegte mir, wen ich noch alles nach seiner Einschätzung fragen könnte. Vielleicht mal in der Bolkerstraße nachhaken und „Suff trifft Kopp“ recherchieren? Oder den Kirmes-Lukas fragen, ob er mit „Hau trifft drauf“ etwas anfangen kann? Notfalls mache ich ein Selfie im Büro und nenne das „Hans trifft Hoff“. Da wäre dann zumindest klar, worum es geht. Um mich.
Im Gegensatz zum Motto „Nähe trifft Freiheit“, das sich einige Werber nun für die Stadt Düsseldorf ausgedacht haben. Nähe trifft Freiheit. Doch, so heißt das. Allen Ernstes. So ein mickriger Slogan für so eine großartige Stadt? Das kann doch nicht deren Ernst sein.
Ist es aber. Der Spruch soll nun die Aussendungen in die Welt zieren, auf dass die Menschen, sagen wir mal in New York, das lesen und dann feststellen: Toll, da will ich auch mal hin. Nähe ist ja in New York quasi unbekannt. Wie oft hat man schon New Yorker gesehen, die um die Häuser schleichen und nach Nähe suchen. Und Freiheit? Die kennt der durchschnittliche New Yorker ja überhaupt nicht. Genau deshalb wirkt ja ein Spruch wie „Nähe trifft Freiheit“ so unfassbar anziehend. Er suggeriert, dass das, was es in Düsseldorf gibt, sonst überall Mangelware ist. Schließlich braucht jede Marke einen USP, ein Alleinstellungsmerkmal, etwas das für Unverwechselbarkeit steht. Was aber an „Nähe trifft Freiheit“ ist bitteschön unverwechselbar?
Wie mache ich den Menschen, sagen wir mal in der Heidelberger Altstadt, klar, dass sie nicht haben, was Düsseldorf zu haben vorgibt? Wer einmal dort war, weiß, dass alles Wichtige im unmittelbaren Umkreis zu finden ist, und raus kommt man auch rasch, und man darf tun, was man will, sogar wenn man sturzbesoffen ist.
Oder nehmen wir mal die Menschen in Ratingen West, die dort in den Hochhäusern wohnen. Wenn man denen mit Nähe kommen will, verweisen die auf ihre Wände, hinter denen sich gerne die Nachbarn lautstark bemerkbar machen. Viel mehr Nähe geht kaum. Und zur Freiheit gehen sie halt auf den Balkon im achten Stock und können sehr weit schauen. Bis nach Düsseldorf.
Ich stelle mir gerade vor, wie ich demnächst Urlaub auf den Malediven mache. Würde ich nie tun, aber mal angenommen. Ich stünde dann dort an einem idyllischen Strand, und wenn ich dort mit einem der wenigen anderen Menschen in Kontakt käme, würde ich angeben, aus Düsseldorf zu kommen. Sie wissen schon, die Stadt, wo die Nähe die Freiheit trifft. Der Blick, den ich mir da einhandelte, den möchte ich mir gar nicht vorstellen.
Düsseldorf hat so viel zu bieten, das die Stadt besonders macht. Die Liste reicht vom Rhein übers Bier und die Messe und die Kö und die Rheinuferpromenade bis hin zum Hafen, um nur einige der sehr besonderen Sonderheiten zu nennen. So viel, was man herausstellen könnte. Was aber wird in die Welt hinausposaunt? Nähe trifft Freiheit.
Ich plädiere dafür, diesen werblichen Totalausfall aller kreativen Organe umgehend zu korrigieren und etwas Griffigeres zu wählen, das ebenso nichts und alles bedeutet. Ich plädiere für „Blöd trifft Sinn“ und stelle diese Kreation der Stadt honorarfrei zur Verfügung. „Blöd trifft Sinn.“ Das würde zwar ebenso für nichts stehen, aber es gäbe zumindest niemanden, mit dem wir den Spruch teilen müssten. Außer mit Köln vielleicht.
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