Was genau hat Bertha von Suttner den Düsseldorfern getan? Die Frage stellte sich mir, als ich die Streitigkeiten verfolgte, die sich vor einiger Zeit um den neuen Joachim-Erwin-Platz entspannen.
Dumm wie ich bin dachte ich, es gehe um Ehrung, wenn ein Platz nach jemandem benannt wird. Ich habe dann einen sehr langen Blick auf die Düsseldorfer Platzlandschaft geworfen und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Düsseldorfer Plätze mehrheitlich nicht nach Ehrung aussehen, sondern so, als habe man mit ihrer Benennung dem Namensgeber größtmöglichen Schaden zufügen wollen.
Vorne in meiner Liste steht der Bertha-von Suttner-Platz. Ein Blick auf dieses trostlose, zwischen Beton geschleuderte Geviert, und die Fragerei geht los. Was hat die arme Schriftstellerin und Friedensforscherin getan, dass man ihr solch eine Ballung an Hässlichkeit widmet wie sie hinter dem Bahnhof zu bestaunen ist? Hatte da jemand was gegen Friedensforschung?
Die nächste Frage folgt auf dem Fuß: Wäre es nicht an der Zeit, dass die Erben großer Menschen darüber nachdenken, einer Stadt das Recht zu entziehen, den Namen ihrer Ahnen in gruselige Betonlandschaften zu gießen? Müssten nicht die Nachfahren der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner sagen: Nö, so geht das nicht. Wir nehmen euch den Namen weg.
Und was sagt die Familie Adenauer zum Bahnhofsvorplatz? Den kann man doch nur als Scheußlichkeit gewordenen Racheversuch einer im ewigen Köln-Düsseldorf-Zwist verharrenden Sturkopfansammlung verstehen. Konrad Adenauer mag viel angestellt haben als Kölner OB und als Bundeskanzler, aber solch einen Platz hat er nicht verdient. Solch einen Platz hat niemand verdient.
Außer vielleicht jene Politiker, die sich in der Sache Erwin als ewiggestrig erwiesen haben, die sich weniger an die Wohltaten des einstigen Oberbürgermeisters Erwin erinnern als vielmehr an die Tatsache, dass dieser bei der Durchsetzung seiner Anliegen auch ein ziemliches Arschloch sein konnte. Viele haben das zu spüren bekommen. Viele haben unter ihm gelitten. Nicht bei allen sind die Wunden verheilt. Auch Jahre nach seinem Tod möchten sie noch immer Gift auf sein Grab kippen. Das ist ein sehr unwürdiges Verlangen, weil es so ziemlich jeden Anflug von innerer Größe vermissen lässt.
Da klingt es auf den ersten Blick verständlich, dass der Rheinbote kürzlich schrieb, es sei nun endlich mal genug mit der Platz-Diskussion in Düsseldorf. Ich dachte kurz nach und kam dann zu dem mir eigenen Standard-Schluss: „Nö“. Ich finde, wir haben da durchaus noch Klärungsbedarf. Die Platzdiskussion, so wie sie geführt wurde, sagt viel aus über diese Stadt, und genau deshalb muss sie weitergeführt werden.
Nein, ich gehöre nicht zu jenen, die sich aus den Protagonisten des Erwin-Platz-Streites neue Gemeinheiten schnitzen und nun nach einem Magnes-Arie-Zim-Strackmann-Platz oder so was Ähnlichem rufen. Ich gehöre zu jenen, die dafür plädieren, erst einmal mit dem vorhandenen Gut ordentlich umzugehen. Zigmal habe ich an dieser Stelle schon über die Wüste namens Gustaf-Gründgens-Platz geschrieben. Was ist danach passiert? Richtig! Nix.
Nun soll etwas passieren, und ganz ehrlich, ich bin skeptisch, dass es hinterher besser wird. Irgendetwas muss der große Schauspieler dieser Stadt getan haben. Irgendwas…
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