Bis Mitte April kannte ich die Schwarzmundgrundel nicht. Dann änderte sich mein Leben schlagartig, als ich aus der Zeitung erfuhr, dass sich die Schwarzmundgrundel explosionsartig vermehrt hat. Die Schwarzmundgrundel habe dies geschafft, weil die Schwarzmundgrundel aggressiv und robust sei und schneller zuschnappen könne als andere Fischarten. Die sind nun bedroht, weil sich die Schwarzmundgrundel breit macht und anderen Artgenossen den Lebensraum streitig macht. Kurz gesagt: Es spielt sich ein großes Drama ab, von dem wir nichts sehen können, weil der Rhein es unter seinem welligen Oberflächenantlitz verbirgt.
Mutige Journalisten aber haben nun die Rhein-Papers ausgegraben, haben die Fakten ausgewertet und die Missstände rund um die Schwarzmundgrundel aufgeschrieben. Vor 15 Jahren habe es noch keine Schwarzmundgrundeln im Rhein gegeben, klagen die Fischer, bei denen kaum noch andere Arten außer der Schwarzmundgrundel anbeißen.
Anfragen in Berlin ergaben, dass die Koalition in Kürze gegen die Invasion der Schwarzmundgrundel vorzugehen gedenkt. Weil die eher kleinen Schwarzmundgrundeln durch den Rhein-Main-Donau-Kanal aus der Schwarzmeer-Region hereinschwappen, soll das Gewässer demnächst mit Stacheldraht gegen erneute Flüchtlingsströme gesichert werden.
Schon haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die eine Überfremdung anprangern und die Rückführung der Schwarzmundgrundel in ihre Heimatregion fordern. Die Alternative fürs Rheinland, kurz AfR genannt, möchte alle Schwarzmundgrundeln sofort ausweisen und nennt die Schwarzmundgrundeln schon die Rhein-Piranhas. Noch seien keine Menschen von diesen widerlichen Wesen aufgefressen worden, sagen die AfR-ler, aber das sei ja nur eine Frage der Zeit, bis man da erste Opfer zu beklagen habe. Man wisse doch, wie diese Schwarzmundgrundeln seien. Der Rhein müsse weiß bleiben.
Mehrere Angler haben sich zudem bereits von gefangenen Schwarzmundgrundeln beleidigen lassen müssen. Ganz deutlich hätten sie aus dem Maul gefangener Schwarzmundgrundeln das Wort „Ziegenkicker“ oder etwas Ähnliches gehört.
Die Staatsanwaltschaft prüft daher bereits, ob sie gegen die Schwarzmundgrundel ermittelt. Möglich machen würde dies ein beinahe vergessener Paragraph, der die Beleidigung von Menschen, die zum Spaß Fische fangen und töten, unter eine besonders hohe Strafe stellt. Schließlich müssten Angler geschützt bleiben, weil es ja sonst niemanden mehr gebe, der im Trüben fische.
Besorgte Bürger treffen sich nun jeden Montag am Kö-Graben, um die dort noch vertretenen Fischarten zu schützen. Nach Angaben der Stadtverwaltung leben in dem 605 Meter langen, mit Düsselwasser gespeisten Tümpel Rotaugen, Karpfen, Flussbarsche, Schleie und Brassen. Keine Schwarzmundgrundel. Noch nicht.
Auf Plakaten fordern die Bürger „Die Kö muss weiß bleiben“. Sie halten Plakate hoch, auf denen „Schwarzmundgrundel verpiss dich“ steht.
Wer sich jetzt fragt, warum ich das hier alles so breit aufschreibe, warum ich mich so ausführlich mit der Schwarzmundgrundel beschäftige, dem sage ich: Weil ich es kann und weil ich den Begriff Schwarzmundgrundel so wunderwunderschön finde. Ich könnte den ganzen Tag herumlaufen und immer nur Schwarzmundgrundel vor mich hinmurmeln. Probieren Sie es mal. Macht Spaß.
Immerhin habe ich es geschafft, in diesem Text Sinn vorzutäuschen, hatte dabei aber nur die Absicht, möglichst oft Schwarzmundgrundel aufzuschreiben. Ich habe es geschafft, 25 Mal Schwarzmundgrundel zu schreiben. Einfach so. Geil!
Entschuldigen Sie das bitte, aber der Frühling macht schon seltsame Sachen mit Menschen…
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