Kann man denn nicht mal in Ruhe? Ich meine, es muss doch. Schließlich zahle ich. Wer meint, er könnte, der sollte einmal nur. Wieso das nicht geht, will mir nicht. Immerhin könnte doch, wenn jemand. Widrigenfalls wäre ja immer ohnehin.
Was man hat, merkt man erst, wenn es fort ist. Alte Weisheit. Kannte schon meine Großmutter. Nie weiß man zu schätzen, was da ist. Immer will man mehr. Und hat man das Mehr, weiß man es wieder nicht zu schätzen und will noch mehr. Oder was ganz anderes.
Nun ist endlich mal Sommer oder zumindest das, was man hierzulande dafür hält, da ist es auch wieder nicht recht. Da sitzen sie in den Biergärten und raunzen herum. Über die Fliegen und Wespen, die ins Bier plumpsen und dort elendiglich verrecken. „Jetzt muss ich mir ein neues Bier kaufen. Herr Ober. Eine Unverschämtheit.“ So brüllen sie.
Hat schon irgendwer mal versucht, eine solche Wespe zu retten? Ich meine, wofür machen die Menschen ihr Seepferdchen? Aber für eine ertrinkende Wespe tun sie nichts. Wo kämen wir denn da hin? Und sowieso. Man kann sich doch nicht um alles kümmern.
Und dann diese Bettler. Haste mal, sagen sie. Oder wenn sie höflich sein wollen: Hätten Sie mal? Aber wir haben nicht. Wir senken den Blick. Wir wenden uns ab. Allenfalls ein kurzes Kopfnicken signalisiert unsere Gleichgültigkeit. Nein, ich gebe nichts. Nie. Und denen schon gar nichts. Ich muss schon genug bezahlen für mein Cabrio und mein iPhone und meine Eigentumswohnung. Was soll ich da noch all die. Die können doch. Wenn sie wollen. Aber sie wollen ja nicht.
Sehen Sie sich die Typen doch an. Wie die rumlaufen. Ich meine, man kann sich doch mal. Und die Haare. Na klar, dürfen die so sein, aber gepflegt wäre besser. Wenn ich so? Was würden dann? Und meiner Frau dürfte ich erst gar nicht.
Außerdem, was brauchen die denn? Ist doch schön warm draußen. Die Zeit möchte ich auch mal. Unter freiem. Die ganze Nacht. Und morgens wecken mich die. Für mich wäre das wie. Ich täte das sofort, hätte ich nicht meine.
Nein, ehrlich, ich kann mich nicht um alles. Die hatten doch ihre. Und immer noch steht es fifty-fifty. Sollen sie sich mal ein. Da werden sie schon. Und wenn die. Dann würde ich auch. Und notfalls spränge ich ins Glas und würde die Wespe. Eigenhändig. Oder besser: Eigenmündig. Ich würde zärtlich ihre Flügel trocken pusten, und dann würde ich ihr nach dem Start lange nach.
Ach, es ist Sommer, da geraten meine Gedanken immer völlig aus. Es wird Zeit, dass der Herbst kommt und die alte Vollständigkeit zurückbringt.
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