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Solidarität mit armen Städten

Die biograph Ouvertüre April 2015

Es wird gerne und viel geredet von Solidarität. Wir sollen Solidarität zeigen mit geschundenen Völkern, mit bedrohten Tierarten und mit Fußballklubs am Tabellenende. Solidarität ist gut. Solidarität belegt, dass wir mitfühlende Wesen sind. Wer Solidarität zeigt, vergewissert sich seiner sozialen Seele.
Solidarität gehört also zu jenen Tugenden, ohne die wir als Gemeinschaft nicht funktionieren würden. Solidarität ist allerdings oft ein bisschen billig, weil sie nicht viel mehr erfordert als ein Lippenbekenntnis oder ein paar Klicks unter irgendeine Petition. Wir sind gerne solidarisch – wenn es nichts kostet.
Dass Solidarität ihre Grenzen hat, zeigte sich, als das Land beschloss, dass reiche Städte armen Städten ein bisschen was abgeben sollten. Schon liefen die Erfolgskommunen Sturm gegen diese Entscheidung. Von modernem Raubrittertum war die Rede, und gerade in Düsseldorf wurde besonders laut geklagt. Hier war gar die Rede davon, dass es doch nicht sein könne, dass die fleißigen Düsseldorfer für die Bewohner fauler Provinzstädte aufkommen sollten. Oder gar für Duisburg. Hier habe man schließlich mit harter Arbeit den Wohlstand erarbeitet und wolle ihn sich nun von leistungsscheuen Kommunen nicht wieder wegnehmen lassen.
Das evoziert natürlich die Frage, ob man hierzustadt wirklich so viel für den Reichtum kann. Hat es nicht vielleicht auch ein bisschen damit zu tun, dass die Besatzungsmächte einst Düsseldorf und nicht Köln zur Landeshauptstadt machten? Hat es nicht auch damit zu tun, dass einst die Industriellen, die im dreckigen Ruhrgebiet arbeiteten, im sauberen Düsseldorf ihren Wohnsitz nahmen. Noch heute ist es doch so, dass Fußballer und hochrangige Manager zwar im weiteren Umland arbeiten, aber in Düsseldorf residieren. Natürlich hat die Stadt in all den Jahren viel dafür getan, dass sich wohlhabende Menschen hier wohlfühlen. Aber das meiste ist ihr letztlich in den Schoß gefallen.
Oder andersherum betrachtet. Sind die Menschen in den armen Kommunen wirklich arbeitsscheu? Können sie einfach nicht so gut mit Geld umgehen wie Düsseldorf? Oder liegt es möglicherweise an der Lage? Trägt eine Stadt ohne Autobahn- und Gleisanschluss wirklich Schuld, wenn sich in ihr keine Industrie ansiedeln mag? Hätte Duisburg auch so prosperieren können wie Düsseldorf?
Ich denke, dass alleine die Fragen deutlich machen, dass die stolzen Düsseldorfer ruhig ein wenig mehr Demut zeigen dürften. Ihnen ist das Glück in den Schoß gefallen, anderen nicht. Jetzt könnte sich zeigen, was Solidarität wirklich bedeutet.
Die Klage, die in den bleiernen Zeiten des Dirk Elbers gegen das Landesgesetz angestrebt wurde, ist im Prinzip keine schlechte. Es ist vernünftig, solche Entscheidungen auch auf dem Rechtsweg zu hinterfragen. Nicht alle Gesetze sind schon gut, nur weil sie Gesetz geworden sind.
Was mich stört, ist die Kraft, mit der diese Klage der reichen Städte vorangetrieben wurde. Sie wurde im Gegensatz zu diversen sozialen Projekten in der Stadt zur Do-or-die-Angelegenheit stilisiert. Wir oder die hieß es. Düsseldorf oder Duisburg. Jammern auf sehr hohem Niveau.
Glücklicherweise hält die neue Rathausbesatzung in dieser Angelegenheit den Ball flach. Ob das so bleibt ist offen. Noch hat man sich dazu nicht klar erklärt. Es empfiehlt sich, das weitere Vorgehen genau zu beobachten. Düsseldorf hat die Chance, sich als Wohltäter zu präsentieren, ein bisschen von dem abzugeben, was hier im größtenteils unverschuldeten Überfluss vorhanden ist. Damit Solidarität auf Dauer ein bisschen mehr ist als nur eine billige Unterschrift.

Hans Hoff

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