Wir sind wer. Wir haben die Stars. Wir sind zu sehen. Hauptsache. „Wetten, dass...?“ austragen – kein Problem. Wir legen 500 Nackte vor den Landtag, leuchten den Medienhafen taghell aus und mehren so den Ruhm einer Quatschwurst wie Markus Lanz. Wir setzen ihm auch noch Campino mit auf die Couch – mit Krawatte. Um es mal mit den Worten der Quatschwurst zu sagen: „Darüber wird zu reden sein.“
Wir haben den Rand aber noch lange nicht voll. Wir machen auch klar, dass Bambi für Düsseldorf nicht länger nur der Name eines ambitionierten Programmkinos ist. Bambi ist vor allem Event. Zum zweiten Mal werden am 22. November die possierlichen Goldviecher in Düsseldorf verliehen, also in jener Stadt, in der sonst Verona Pooth die Spitze der Celebrity-Riege markiert. Hier darf die „Bunte“, besser bekannt als „Das dumme Blatt“ für Menschen mit zu viel Geld und zu wenig Sex, seine Ausnahmestellung als Schaufenster für geltungssüchtige Typen wie Heiner Lauterbach oder Veronika Ferres feiern.
Und dann war da gerade noch die Unesco-Gala von Frau Hochofen, wo die prominenten Gäste am Büffet etwas gegen den Hummer in dieser Welt tun konnten. Mei oh mei, wer da nicht alles zu sehen war, wer da nicht alles aufgelaufen ist. Man fasst es nicht.
Wer braucht Berlin, wer braucht München, wer braucht Hamburg? Wir sind Düsseldorf. Wir sind die Hauptstadt des Blingbling. Bei uns klimpern die Juwelen am süßesten, bei uns werden die alternden Brüste der Verhaltensauffälligen am höchsten geschnallt, bei uns dürfen die einschlägig Angeschlagenen so tun, als sei alles in Ordnung. Finanzbetrüger geben schlecht getarnten Klappermimen ein Bussi hier, ein Bussi dort, und zwischendrin wird dann irgendwer aus Hollywood präsentiert, um ein bisschen so zu tun, als sei ganz große Gala.
Dazu kommen ein paar belanglose Sternchen, die für Geld oder ein schnelles Foto so ziemlich alles tun, was die „Bunte“ will. Hauptsache berühmt. Und wir sind die Steigbügelhalter. Wir sind die geistigen Mittäter. Wir stellen den Grund und Boden, über dem die ganzen Luftnummer gefahrlos ausgetragen werden kann.
Erinnert sich noch jemand an Samuel Koch? Jenen ambitionierten Jüngling, der am 4. Dezember 2010 in Düsseldorf bei „Wetten, dass...?“ einen Sprung versemmelte und nun ein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt sein wird? Vergessen. Wir haben eine neue Sensation. Beim jüngsten „Wetten, dass...?“ ist ein Pudel gestürzt, ins Koma gefallen und dann verstorben. Ein Aufschrei ging über den Boulevard, glich die Töle doch auffällig jenen Exemplaren, die regelmäßig die Kö mit ihren Hinterlassenschaften zu einem Minenfeld veredeln und damit erinnern an jene Zeit, da ein Monarch dort mit Pferdeäpfeln beschmissen wurde. Nachher mussten sich die Stadtoberen beim König entschuldigen und den bis dahin Kastanienallee geheißenen Boulevard in Königsallee umbenennen.
Das soll nicht wieder vorkommen. Genau deshalb werden während der Bambi-Gala alle Hundehäufchen in der Stadt vom örtlichen Sicherheitsdienst bewacht. Auf dass auch ja niemand auf die Idee komme, Geschichte wiederholen zu wollen. Wo kämen wir denn dahin? Und was wären die Folgen? Womöglich hieße die Kö nachher Bambiallee. Wer will denn so etwas?
Vielleicht die Toten Hosen, die mit ihrem „Wetten, dass...?“-Auftritt gezeigt haben, dass sie längst in einer Liga mit Pur und Silbermond spielen. Aus den einstigen Punks sind Papiertiger geworden, die für Geld und eine publikumsstarke Hymne alles tun. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie ihre tätowierte Haut auch bei Events wie Bambi über den roten Teppich schieben. So weit ist es gekommen mit Düsseldorf und seinen Helden. Die Seele verkaufen für ein bisschen Glanz und Gloria. Wie Igitt ist das denn?
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