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Wie man das Tun durchs Wollen ersetzen kann

Die biograph Ouvertüre Juni 2017

Es gibt eine Hölle. Doch, es gibt sie. Ich meine jetzt nicht Düsseldorf in Vorbereitung des Grand Depart, sprich in jener besinnungslosen Vorfreude, gegen deren Geruch nach Verordnung von oben sonst nur eine Militärparade in Pjöngjang ankommt. Nein, ich wähne das Reich des höllisch Heißen viel näher, viel unmittelbarer. Es raschelt jede Woche durch meinen Briefschlitz und tarnt sich als Prospekt von Aldi-Süd.

Diesen Minikatalog schaue ich gerne an, weil er mir Aufschluss darüber gibt, wie professionelle Werber glauben, dass meine Mitmenschen ticken. Aldi nimmt zum Beispiel sehr offensichtlich an, dass das Leben eine Abfolge des immer Gleichen ist. In der einen Woche bietet der Discounter meines Vertrauens Sachen für Radfahrer an. Nein, das hat nichts mit dem Grand Depart zu tun, auch wenn das für Verschwörungstheoretiker natürlich eine feine These wäre: Der OB als Büttel der Aldi-Werber.

In der Woche nach den Sachen für Radfahrer sind die Sachen für Jogger dran. Und dann die für Wanderer, bevor irgendwann wieder die Klamotten für Radfahrer angepriesen werden und dann für Jogger. Es ist ein ewiger Kreislauf, so wie ihn auch Hanns Dieter Hüsch einst definierte, als er befand, das Leben bestehe im Prinzip aus nichts anderem als aus Kaffeetrinken und auf Klo gehen.

Bei Aldi geht niemand auf Klo. Wie auch? Dort wird vorne im Heft immer mit Fitness geworben. Da sind Menschen zu sehen, die konzentriert ihrer Passion nachgehen, die ihren Körper stählen. Sie müssen das tun, wenn sie all jene Sachen verkraften wollen, die Aldi in der Folge den Erschöpften andient. „Jetzt eine zünftige Brotzeit“ heißt es dann weiter hinten im Prospekt, und dann wird offeriert, was den vom Sport ausgemergelten Körper wieder in die Spur bringen könnte. Kalorien im Überfluss, Fertiggerichte, Zuckerbomben im Form von Müsliriegeln, Fleisch, Fleisch, Fleisch und natürlich jede Menge Alkohol.

Mich beschleicht schon länger der Verdacht, dass die meisten Menschen dieser Lebensanleitungsfibel gar nicht so streng folgen, wie es für ein auskömmliches Dasein notwendig wäre. Schaue ich mich an der Aldi-Kasse um, denke ich oft, dass die meisten Kunden nur die Aufbaunahrung zu sich nehmen, aber vergessen, ihre Körper vorher in eine Form zu bringen, die kalorierenhaltigen Aufbau überhaupt erst nötig macht.

Ich spüre da eine große Dissonanz zwischen Denken und Tun, was ich als geborener Düsseldorfer natürlich gewohnt bin. Ich fürchte gar, die meisten denken sich die gepriesene körperliche Anstrengung nur und sparen sich die Ausführung. So ist der Mensch nun mal. Er kann Teile seines Wollens ins Denken verlagern und sich dann perfekt selbst vortäuschen, er habe etwas geleistet.

Ähnlich funktioniert ja auch Stadtpolitik. Man sagt, dass etwas ganz toll wird, wenn die Bürger nur den Unannehmlichkeiten des Umbaus zustimmen. Danach vergisst man dann ganz schnell das mit dem toll und konzentriert sich länglich auf die Unannehmlichkeiten. Das mit dem Theatermuseum wird ganz toll, wenn man es nur erst seines Standortes beraubt und auf ein paar Etagen am Bahnhof verteilt. Wird toll. Bestimmt.

Der Konrad-Adenauer-Platz wird auch toll, wenn man erst die Bauphase überlebt hat. Einwände, dass der Platz schon seit Jahrzehnten so wirkt, als befinde er sich in einer Bauphase, sind abzulehnen. Ein bisschen Glauben an das kommende Gute muss schon sein.

So wie am Worringer Platz, wo junge Menschen gelernt haben, sich die ewige und durch nichts zu beseitigende Hässlichkeit schön zu trinken und überfüllten Verkehrsraum zur Kreativzone umzudeuten. Hier zeigt sich der Triumph des Willens. Schön ist, was ich anders nicht ertragen würde.

Wenn jetzt noch einer kommt und sagt, dass eines Tages der Gustaf-Gründgens-Platz schön wird, bin ich geneigt, den Aldi-Prospekt als Bibel zu akzeptieren, das Anschauen des Ziels mit dem Erreichen desselben gleichzusetzen. Schöne bunte Welt. Im Aldi wie auch am Rhein. Hauptsache viel Fleisch und Alkohol.

Hans Hoff

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