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Jovan Stojsin

Wir sind das Volk. Wir wollen Probleme

Die biograph Ouverture Juni 2013

Wir sind schon ein lustiges Völkchen, wir Düsseldorfer. Wir haben alles, was das rheinische Herz begehrt. Da ist der wunderschöne Rhein, da ist der weite Himmel darüber, und da sind die vielen hübschen Menschen, die um die Wette flanieren, kaum dass sich mal ein Sonnenstrahl zwischen den Wolken verirrt. Uns geht es gut. Richtig gut. Könnte man sagen.

Uns geht es so gut, dass wir manchmal Langeweile haben. Dann gehen wir raus und jammern ein bisschen. „Wir wollen auch Probleme haben“, jaulen wir dann. „Alle haben Probleme, nur wir nicht.“ Von oben kommt dann eine sehr weibliche Stimme, die seufzt. „Ja, was wollt ihr denn noch? Ihr habt doch alles. Ihr seid schuldenfrei, ihr seid schön, und ihr habt einen Fußballverein, der es mit seiner inneren Zweitklassigkeit bis zur letzten Minute spannend macht.“

„Aber wir wollen mehr. Die Bundesligasaison ist vorbei“, hebt dann der Chor der Gelangweilten an. Die Antwort von oben lässt nicht lange auf sich warten. „Habe ich euch nicht gerade einen schönen Opernskandal frei Haus geliefert. Da wart ihr doch fein in allen großen Blättern vertreten mit euren Problemen“, schimpft sie fast und verliert für einen kurzen Moment den diplomatischen Warteschleifenton in ihrer Stimme.

„Aber doch nicht so“, jammert es zurück. „Wir wollen glänzen und nicht wie Kulturidioten dastehen.“ Es bleibt eine Weile still. Dann sinken ein paar Depressionswölkchen herab. Leise finden sie ihren Platz auf marmornem Grund und zerfließen in Schönheit. In Düsseldorf ist sogar die krankhafte Traurigkeit schöner als anderswo.

„Gab ich euch nicht den Abriss der Hochstraße? Und habt ihr nicht daraus fein einen Streit über einen Tausendfüßlerpfeiler gewoben? Wenn ihr keine Kulturidioten sein wollt, warum macht ihr dann so etwas? Gut, das Wort Tausenfüßlerpfeiler ist ein schönes, aber habt ihr keine wirklichen Probleme“, fragt sie.

„Wir haben ja gerade keine richtigen Probleme“, tönt es kollektiv zurück, woraufhin ein Blitz zuckt und ein Gekreisch ansetzt. „Ja, dann macht euren Scheiß doch alleine. Ich habe die Schnauze voll.“ Sie sagt's, und ein Besetztzeichen signalisiert, dass unter dieser Nummer kein Anschluss mehr besteht.

Also waren die Menschen traurig, dass sie keinen Grund mehr hatten, traurig zu sein. Aber findig wie Düsseldorfer nunmal sind, fanden sie rasch eine Lösung und starteten eine Diskussion über die Frage, ob ein gebürtiger Schwabe in dieser Stadt Oberbürgermeister werden kann. Sie stellten ihm dümmliche Fragen, und sie konfrontierten ihn mit ihrem dümmlichen Platt, das Sprache zu nennen, der gute Geschmack verbietet. Und sie freuten sich an seinem Scheitern. Sie wussten, wenn andere scheitern, sieht man selber besser aus. Ein bisschen fühlte sich das an wie in Berlin, wo Schwaben auch gerne gedisst werden.

Dann aber wurden die maulenden Düsseldorfer wach, und es keimte ein Verdacht in ihnen. Sie schauten danach selbst in ihre Ausweise und stellten fest, dass die wenigsten von ihnen hier geboren wurden. Nach einer Weile stellten sie sogar fest, dass es völlig wurscht ist, wo man geboren ist. Es kommt schließlich nur darauf an, was man gerade ist, was man kann, was man macht. Aber das wollten die Düsseldorfer nicht so genau wissen, denn sie ahnten, dass die bessere Einsicht künftigem Streit im Wege stünde. Und wenn man nicht streitet, kommt man sich wieder vor, als habe man keine Probleme. Dann ist wieder langweilig.

Hans Hoff

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