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Jovan Stojsin

Zukunft wird überschätzt. Sagt nicht nur der Maya-Kalender

biograph Ouverture Dezember 2012

Liebe Freunde des gepflegten Wortes vorneweg. Ich möchte mich hiermit verabschieden von allen treuen Lesern, die über all die Jahre an dieser Stelle ihre Freude hatten, einfach nur gelitten oder sich richtig geärgert haben. Diese Ouvertüre ist die letzte, denn am 21. Dezember ist ja laut Maya-Kalender Weltuntergang. Also Weltuntergang im Sinne von aus, vorbei, over, roger. Den Weltuntergang lassen wir uns nicht ausreden von ein paar Wissenschaftlern, die behaupten, so wie wir das verstanden haben, stünde das gar nicht auf den Steintafeln. Meine lieben Wissenschaftler. Man muss sich doch auch mal auf etwas verlassen können. Jahrzehntelang war Heiligabend auch immer am 24. Dezember. Und warum? Natürlich. Ganz klar. Weil die Süßwarenindustrie pünktlich zum 1. September das Gebäck und die Marzipankartoffeln ausgelegt hat. Und wenn man die sieht, weiß man: Ah ja, in drei Monaten und 24 Tagen ist Heiligabend, und direkt danach kommen die Marzipaneier in die Supermärkte, von wegen Ostern und so.

Fällt alles aus dieses Jahr. Auch das Weihnachtsgeschäft. Wenn es wegen Weltuntergang keinen Heiligabend mehr gibt, warum soll man da noch Geschenke kaufen. Andererseits quält mich ja schon eine Weile die Frage, was man denn so zum Weltuntergang schenkt. Socken, Krawatten oder Mon Cherie? Ne, schon eher eine Doors-Platte mit „The End“ drauf. Oder „Abbey Road“ von den Beatles. Wie heißt es dort so schön? „And in the end, The love you take is equal to the love you make.“ Kann man es schöner ausdrücken?

Natürlich fallen nicht nur Heiligabend und Ostern aus. Auch andere Vereinbarungen gelten nicht mehr. Mit ein paar Freunden hatte ich verabredet, dass wir uns an Silvester 2015 am Tausendfüßler treffen. Geht nicht mehr. Also, das ginge ja auch ohne Weltuntergang nicht mehr, weil ja der Tausendfüßler bald Geschichte sein wird. Aber nun wird er ja vielleicht stehenbleiben, weil ja Weltuntergang ist. Nur wird es halt keine Menschen mehr geben, die sich unter dem Beton treffen können. Komischer Gedanke das.

Ich tendiere ja ohnehin zu der Theorie, dass die Maya gar nichts mit dem Weltuntergang zu tun haben. Letztlich ist er nämlich nichts weiter als das Ergebnis einer Unternehmensberatungsstudie. Die hat erkannt, dass die Welt weitaus profitabler wird, wenn sie untergeht. Zumindest steigen die Umsätze vor dem Untergang steil an. Alle Branchen boomen. Na ja, nicht alle. Reisebüros werden vergeblich mit Frühbucherrabatten locken, und auch die Tickets fürs Depeche-Mode-Konzert in der Joachim-Erwin-Arena kann man getrost dem Kamin anvertrauen.

Die Beauftragung der Unternehmensberatung ist übrigens aus dem Düsseldorfer Rathaus erfolgt und dann irgendwie aufs falsche Gleis geraten. Sie war die spontane Reaktion eines dort regierenden Amtsinhabers. Der hatte mit großem Staunen die Ergebnisse einer von gebeutelten Kulturinstituten und renommierten Bildungsbürgern in Auftrag gegebenen Studie zur Kenntnis genommen. In der Studie, die sich mit dem Nutzen städtischer Administration befasste, stand nämlich als Ergebnis, dass zu viel Personal vorhanden ist. Nun steht in allen Studien von Unternehmensberatungen, dass zuviel Personal vorhanden ist. Das weiß meistens auch vorher jeder. Aber Entlassungen verkünden sich halt leichter, wenn ein paar schnöselige Graureiher vorher ein paar Zahlen aufgetürmt haben.

Die Rathausstudie war trotzdem etwas Besonderes. Sie präsentierte nämlich als Ergebnis, dass exakt eine Person überflüssig ist. Sie wird in dem Papier, das der Redaktion vorliegt, als sehr groß, etwas tapsig und als frei von Visionen beschrieben. Sie könne nur verwalten, was eh schon da sei und fühle sich schnell überfordert, wenn es mal darum gehe, an Zahlen jenseits der Zehn zu denken, stand da.

Das gefiel der betroffenen Person natürlich überhaupt nicht, weshalb sie die Studie flugs in der Schublade verschwinden ließ und ihrerseits die Unternehmensberatung mit einer Untersuchung der Welt beauftragte. Das Ergebnis kennen mittlerweile alle, weshalb ich nun noch flugs einen Tisch reservieren muss für den 20. Dezember. Da wird im „Ohme Jupp“ der anstehende Weltuntergang gefeiert. Alle meine Freunde kommen. Wir werden Spaß haben und feiern, als gäbe es kein Morgen.

Hans Hoff

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